Kita-Krach: Samtgemeinde Apensen kündigt der Kirche

Quelle: BT-Online vom 05.07.2019 von Frau Lepél

Setzen sich gegen die Vorwürfe aus dem Apenser Rathaus zur Wehr: der Vorstand des Evangelisch-lutherischen Kindertagesstättenverbands Buxtehude mit (von links) Sarah Pfefferkorn, Rita Wunderlich, Lutz Tietje und Thomas Haase. Foto: Lepél

Von Sabine Lepél

APENSEN. Der Samtgemeinderat Apensen hat mit großer Mehrheit beschlossen, die Verträge zur Betriebsführung der evangelischen Kitas Arche Noah und Weltentdecker mit der Kirche zu kündigen und neu zu verhandeln. Nicht nur der Oberlandeskirchenrat ist darüber entsetzt.

Bei einem Gespräch mit dem TAGEBLATT machte auch der Vorstand des Evangelisch-lutherischen Kindertagesstättenverbands Buxtehude als Träger der beiden betroffenen Kitas sein Unverständnis über die Entscheidung des Apensener Samtgemeinderats deutlich. Und nicht nur der Träger, auch die Kirchengemeinde Apensen selbst, habe den Beschluss „mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen.

Wie berichtet, wird der Betriebsführungsvertrag mit der Kirche als Träger der Kitas Arche Noah und Weltentdecker nach einem Mehrheitsbeschluss im Samtgemeinderat gekündigt und neu verhandelt. Die Begründung: Die Kosten pro Kind seien in der Arche Noah zu hoch. Während sie in den anderen von der Samtgemeinde finanzierten Kitas von rund 7770 (Susewind) bis 9700 Euro (Beckdorf) reichten, käme die Arche Noah auf fast 13 500 Euro. Außerdem müsse die Kirche mit der alten Vertragsregelung keine Rechenschaft über Anschaffungen ablegen und prüfe sich zudem selbst.

Der Beschluss fand im Samtgemeinderat eine breite Mehrheit. Gegen ihn stimmten lediglich die beiden Vertreter der UWA und der AfD sowie Samtgemeindebürgermeisterin Petra Beckmann-Frelock (UWA): „Ich hatte gehofft, mit der Kirche auf Augenhöhe verhandeln zu können“, so Beckmann-Frelock. Die Ratsmehrheit folgte allerdings der Darstellung der Verwaltung und stimmte für eine Kündigung der Verträge zum 31. Juli 2019 mit Wirksamkeit zum 31. Juli 2020.

„Wer die Kosten trägt, sollte auch mitbestimmen können“

Sabine Benden, Bauamtsleiterin in der Samtgemeinde Apensen. „Die Kirche muss uns bei Anschaffungen überhaupt nicht fragen“, sagte Bauamtsleiterin Sabine Benden und nannte als Beispiel die Anschaffung eines Sonnensegels für den Innenhof. Die Gemeinde habe das abgelehnt, es sei aber trotzdem angeschafft worden. „Wir wollen ja nur, dass da künftig jemand draufguckt“, so Benden. „Wer die Kosten trägt, sollte auch mitbestimmen können. Das ist es, was wir mit der Kündigung des Vertrages und mit den Neuverhandlungen erreichen wollen.“

Über eine mögliche Vertragskündigung – wenngleich mit dem Angebot eines neuen Vertragsabschlusses zu den Konditionen der Samtgemeinde – sei vorher weder mit der Kirchengemeinde noch mit dem Kindertagesstättenverband gesprochen worden, ärgert sich der Vorstand des Evangelisch-lutherischen Kindertagestättenverbands Buxtehude. Der betriebswirtschaftlichen Geschäftsführung sei durch Sabine Benden lediglich mitgeteilt worden, dass der Samtgemeinderat die Betriebsführungsverträge überprüfen und überarbeiten wolle.

Die Kündigung nach rund 50-jähriger Spielkreis- und Kindertagesstättenträgerschaft durch die Kirchengemeinde und nachfolgend durch den Kindertagesstättenverband sei umso enttäuschender, als es nach mehreren Monaten mit Fachkräftemangel und daraus resultierenden Gruppenreduzierungen gelungen sei, zum Kindergartenjahr 2019/2020 die Stellen im Gruppendienst zu besetzen und den Familien so wieder die gewohnte und benötigte Betreuung anzubieten, betonte der Vorstand, vertreten durch den Vorsitzenden Lutz Tietje, seinen Stellvertreter Pastor Thomas Haase und die Geschäftsführerinnen Sarah Pfefferkorn (Pädagogik) und Rita Wunderlich (Finanzen), im Gespräch mit dem TAGEBLATT.

Aussagen entsprechen nicht den Tatsachen

Die im Samtgemeinderat vorgebrachten Aussagen zum ausschweifenden Ausgabeverhalten der Kirche entsprächen nicht den Tatsachen. „Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen“, so Wunderlich, die Bendens Beispiel aufgriff: „Es stimmt zwar, dass für die Arche Noah ein großes Sonnensegel beschafft wurde. Es stimmt aber nicht, dass dies durch die Samtgemeinde finanziert und nicht fachgerecht aufgebaut wurde. Die Kosten für das Sonnensegel wurden von der Ikea-Stiftung übernommen, der Aufbau erfolgte durch eine Fachfirma.“

Auch die Aussage, dass die Arche Noah die höchsten Pro-Kind-Kosten hat, stimme nur auf den ersten Blick: „Die Personalkosten machen rund 90 Prozent der Gesamtkosten einer Kita aus. Die zum Vergleich herangezogenen kommunalen Kitas in Apensen haben deutlich kürzere Betreuungszeiten. Es liegt auf der Hand, dass längere Betreuung mehr Personal benötigt und dadurch höhere Kosten entstehen“, so Wunderlich. „Zudem betreibt die Arche Noah eine Integrationsgruppe, in der mehr Personal als in regulären Kita-Gruppen gesetzlich vorgeschrieben ist.“ Die Kita Weltentdecker habe übrigens Pro-Kind-Kosten in Höhe von 9175,12 Euro und sei damit pro Kind 527,75 Euro günstiger als die „teuerste“ kommunale Kita. „Insofern ist die unausgesprochene Behauptung, dass Kirche das Geld zum Fenster hinauswirft, nicht haltbar“, so Wunderlich.

Auch die Aussage, die Kirche prüfe sich selbst, stimme nicht: „Es gibt ein eigenes, unabhängiges Rechnungsprüfungsamt der Hannoverschen Landeskirche, das die Jahresabschlüsse der evangelischen Kitas prüft. Die Prüfung erfolgt unter der Berücksichtigung kirchlicher Besonderheiten zu denselben Voraussetzungen und Regelungen, mit denen auch das Rechnungsprüfungsamt des Landkreises prüft“, sagte Tietje. Der in Hannover wirkende Oberlandeskirchenrat Hans-Joachim Lenke zeigte sich ebenfalls erstaunt: „Die Kirche unterstützt die Kommune bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, hinreichend Betreuungsplätze vorzuhalten. Es ist unverständlich, warum die Samtgemeinde Apensen solche Konditionen vorgibt und das staatlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen einschränken möchte. Wir können dies nur so verstehen, dass die Samtgemeinde nicht mehr mit Kirche zusammenarbeiten möchte.“ Die Vorstandsmitglieder des Trägerverbandes hoffen auf eine Lösung: „Wir möchten die Trägerschaft auf jeden Fall behalten.“

Der Träger

Der Evangelisch-lutherische Kindertagesstättenverband Buxtehude betreibt insgesamt elf Kitas, darunter drei in der Kirchengemeinde Apensen: die Weltentdecker in Apensen mit jeweils einer Krippen- und einer Elementargruppe, die Arche Noah mit zwei Krippengruppen, einer Elementar- und einer Integrationsgruppe sowie die Wilden Hummeln in Buxtehude-Ottensen, die nicht zur Samtgemeinde Apensen gehört. Der Verband beschäftigt in Apensen rund 20 Erzieherinnen.

Kommentare
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Stefan Reigber schrieb am 05.07.2019 19:07

Wir sind erschüttert über diese Vorgehensweise. https://wir-sind-apensen.de/samtgemeinde-kuendigt-vertrag-mit-arche-noah

schrieb am 05.07.2019 17:02

Beim Lesen dieses Artikels bekommt man den Eindruck, dass die seit Jahrzehnten bestehende Apensener „Machtriege“ noch vor ihrer zukünftigen Abwahl möglichst viel Chaos stiften möchte. Die Aussage und die Gegenstimme der neuen Bürgermeisterin sind der einzige Lichtblick in dieser Situation. Wenn die Aussagen der Kirche so stimmen, wären die Behauptungen der Gemeinde eine absolute Frechheit. (Bsp. Sonnensegel) Und bzgl der Mehrkosten der Arche Noah: Ist es nicht normal, dass eine neu gebaute Kita anfangs automatisch viele neue Anschaffungen (z.b. Sonnensegel) tätigen MUSS!!!??? Am Ende sind die Kinder in dieser Geschichte die Leittragenden und diesen Schuh können sich dann Frau Benden und ihr Gefolge anziehen.

Heiko K. schrieb am 05.07.2019 15:43

Neben „der Sache“ ist sehr erwähnenswert: die „Chefin“ stimmt gegen die Vorlage der eigenen Verwaltung. Herzlichen Glückwunsch zu kommenden Krächen, kann man da nur sagen.

Anna-Luise W. schrieb am 05.07.2019 13:36

Liebe Apensener Verantwortliche, bitte überdenken Sie Ihre Entscheidung - zum Wohle aller Kinder, auch der Ihren. Zerstören Sie bitte nicht, was jahrzehntelang vom unschätzbaren Wert gewesen - und weiter sein soll.

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Peter Petersen

Kommentare

Eine Antwort zu “Kita-Krach: Samtgemeinde Apensen kündigt der Kirche”

Jürgen Sommer

Auf der Homepage http://www.apensen.de gibt es einen Sitzungskalender. Hier kann man nicht nur die angesetzten Daten der einzelnen Ausschuß-Sitzungen, oder Gemeinderat- / SG-Ratssitzungen in Erfahrung bringen, sondern für die einzelnen Meetings auch noch EInzelheiten über die Beschlussvorlagen durchforsten.

Seit der Samtgemeinderatssitzung am 25. Juni 2019 beschäftigt mich die Frage, warum man sich eigentlich nur mit dem Aufwand pro Kind beschäftigt, aber die Ertragsseite komplett unberücksichtigt bleibt.

Besagte Tabelle, deren Daten u.a. auch die Grundlage des BT-Artikels sind, kann man auf Seite 7 unter dem folgenden Link aufrufen:
http://www.apensen.de/allris/___tmp/tmp/45-181-136996341562/996341562/00085700/00.pdf

Die Notiz „Um eine Vergleichbarkeit zu realisieren habe ich die Erträge nicht berücksichtigt (starke Unterschiede, da z. Bsp. in Apensen viele die Höchstbeiträge zahlen).“ Sind Erträge nicht notwendig, um damit Aufwendungen zu bestreiten? Wir sind uns alle im Klaren darüber, dass der Betrieb einer Kindertagesstätte defizitär ist. Okay! Aber wenn den Ausgaben auch Einnahmen gegenüberstehen, müssten diese definitiv berücksichtigt werden. Um es salopp auszudrücken, ist es doch egal, woher die Einnahmen stammen (wie z.B. über viele Höchstbeiträge in Apensen!)

Kurzum, errechnet man auf der Tabelle das Defizit zwischen Aufwand und Ertrag und rechnet dann auf die Kinderzahl um, liegt das Minus pro Kind bei den Samtgemeinde-geführten KiTas zwischen 2.300,- und 4.300,- Euro; die beiden Kirchen-geführten Einrichtungen liegen hier bei € 576,44 (Arche Noah) bzw. € 555,65 (Weltentdecker) PRO KIND!

Ich komme nicht umhin und muss die Frage stellen, warum kündigt die Samtgemeinde die Verträge mit der Kirche und nicht mit sich selbst?

Die Samtgemeinde hätte ein Gutes daran getan, wie von Petra Beckmann-Frelock beantragt, ruhig und auf entspannter Basis mit der Kirche in den Dialog zu treten, wenn man schon in den bestehenden Verträgen herumrühren muss. In der Situation, in der wir uns jetzt befinden, sind die Fronten vor Beginn möglicher Verhandlungen bereits verhärtet und in Anbetracht der oben genannten Daten stelle ich mir immer noch die Frage, ob die Kirche nicht doch besser wirtschaftet als die Samtgemeinde!

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